Das prestigeträchtige Opernfestival in Glyndebourne führte das erste Mal Händels Oper Semele vor. Hinter dem Dirigentenpult wurde sie Vaclav Luks geleitet

Dirigent und künstlerischer Leiter von Collegium 1704 Václav Luks hat aufgrund der Residenz in Glyndebourne schon zum zweiten Mal die Leitung des Londoner Orchesters der historischen Instrumente Orchestra of the Age of Enlightenment übernommen. Die neue szenische Aufführung der Oper Semele von Georg Friedrich Händel sahen die Zuschauer in der Festivalpremiere am 23. Juli. Bis zu Ende August haben die Organisatoren 11 Reprisen geplant.

Festival in Glyndebourne ist eine große und prestigeträchtige Veranstaltung, das größte Opernfestival in England, eins der wichtigsten in Europa. Fast ausschließlich treten hier im Rahmen des Festivals Künstler von den britischen Inseln auf und Händel nimmt traditionell in seinem Programm eine sehr wichtige  Stelle. Die Einladung zu der Einstudierung von Händels Oper in England, welche ich von den Organisatoren schon von vier oder fünf Jahren bekommen habe, schätze ich sehr, um desto mehr , das ich hier als einer von den wenigen Gastkünstlern bin. Ich freue mich sehr auf die ganze typisch britische Atmosphäre. Bis jetzt hatte ich die Möglichkeit nur mittelbar zu verfolgen. Außer vom Opernhaus in Glyndebourne bildet diese auch das sehr kultivierte, gebildete, anspruchsvolle britische Publikum, welche aber auch das Leben genießen kann und genießt nicht nur hochwertige Musik, aber auch zum Beispiel das Picknick an diesem beliebten englischen Ausflugsort. Das Ferienfeeling gehört einfach zu Glyndebourne,“ sagte vor dem Abflug nach England Václav Luks.

An der neuen szenischen Einstudierung fing er in London schon am Anfang Juni zu arbeiten, zusammen mit dem Londoner Orchester der historischen Instrumente Orchestra of the Age of Enlightenment, mit der Walliser Regisseurin Adele Thomas, mit der Darstellerin der Titelrolle, der amerikanischen Sopranistin Joélle Harvey, der britischen Mezzosopranistin Jennifer Johnston (Juno), dem britischen Tenorist Stuart Jackson (Jupiter) und mit weiteren Solisten.

Sopranistin Joélle Harvey in der Rolle der Semele (rechts).

Das Ursprungspublikum der Oper Semele von Händel, einer Geschichte und Musik voll Sehnsucht und Sinnlichkeit, musste schockiert gewesen sein. Anstelle des traditionellen Händelschen biblischen Dramas wurden die Zuschauer mit einer Menge an lasziven römischen Göttern und dessen tödlichen Spielchen konfrontiert. Semele ist bei weitem nicht nur ein geistliches Drama, aber eine provokant weltliche Geschichte über Verführung und Ehebruch.  „Semele kombiniert in sich Liebesintrigen einer klassischen Sage, solistische Virtuosität einer italienischen Oper und wunderschöne Oratorienchöre.  Ist also das Beste von allen möglichen Welten, ein Werk, das szenische Regeln überschreibt, “ lassen die Organisatoren des Festivals von sich hören.

Sopranistin Joélle Harvey in der Rolle der Semele.

Glyndebourne befindet sich am Rande von Nationalpark South Downs im östlichen Teil von Sussex. John Christie und seine Ehefrau, die Opernsängerin Audrey Mildmay, gründeten hiesiges Festival im Jahr 1934. In der Gegenwart findet es von Mai bis August mit Programm von sechs Operntiteln im Opernhaus für 1.200 Zuschauer statt. Glyndebourne veranstaltet auch Tage der offenen Türen für Familien mit Kindern, Kunst- und Archivausstellungen oder eine Herbstsaison von Opernvorstellungen und Konzerten, welche die aufstehenden Stars in den Vordergrund stellen. Ganzjährig funktioniert auch das dortige Ausbildungs- und Erziehungsprogramm.

Diesjährige Festival bietet neben der Händeloper Semele, eine Premiere Aufführung von Poulencs Oper Gespräche der Karmelitinnen, und nach mehr als zehn Jahren auch Mozarts Don Giovanni. Zu den weiteren drei diesjährig aufgeführten Inszenierungen gehören Brittens Sommernachtstraum, Stravinskis Rake’s Progress (Der Wüstling) oder Donizettis große romantische Komödie Der Liebestrank.

Foto: Petra Hajská, Richard Hubert Smith/Glyndebourne Productions

Collegium 1704 tritt mit dem Laureaten des prestigeträchtigen internationalen Chopin-Klavierwettbewerbs in die neue Saison in Rudolfinum an

Das Prager Barockorchester Collegium 1704 veröffentlichte das Programm der kommenden Konzertsaison, welche ab dem Jahr 2015 im Rahmen des Projektes Die Musikbrücke Prag-Dresden parallel in Tschechien und Deutschland, in den vormaligen Schlüsselkulturzentren Europas, von Collegium 1704 organisiert wird. Im Programm spielen Musikschätze des Barocks die Hauptrolle, aber auch wesentliche Werke der späteren Stilepochen. 

„Ständig definieren wir uns als Barockorchester, das barocke Repertoire bildet 80 % unserer Aktivität. Die Ausflüge in die späteren Stilepochen empfinde ich als willkommene Belebung und neue Herausforderung, welche auch beim Publikum großen Widerhall findet, als Bestätigung dafür kann unsere erste Aufführung Beethovens Siebten Symphonie in der abgelaufenen Saison dienen. Weil die Reaktion so stark war, entschied ich auf die „Siebte“ anzuknüpfen und so erklingt in unserer Darbietung  im nächsten Jahr im Februar Beethovens ruhmreiche Eroica. Die Entscheidung gerade dieses Werk ins Programm aufzunehmen hängt auch damit zusammen, das ich in letzter Zeit oft als Gastdirigent in Boston mit dortigem Orchester der historischen Instrumente Handel & Haydn Society wirke. Die Musik um das Jahr 1800 ist der dominante Bestandteil dessen Repertoires und mit Beethoven beschäftigen sie sich viel. Ich wurde gleich zur Realisierung von einigen solchen Programmen eingeladen,“  erklärt der Dirigent und künstlerischer Leiter von Collegium 1704 Václav Luks. Interessant wird laut ihm auch die Konfrontation der Eroica mit Symphonie d moll „La Tempesta“ von Beethovens engem Mitarbeiter und einer einflussreichen Persönlichkeit des Wiener Musiklebens am Umbruch des 18. und 19. Jahrhunderts, Paul Vranicky, im Rahmen eines Konzerts.

Mit der langjährigen Zusammenarbeit mit einer anderen bedeutenden ausländischen Institution, dem Warschauer Institut Fryderyk Chopin, ist auch ein anderer Abzweig aus dem Barocken Revier des Orchesters verbunden. „In diesem Jahr werde ich das polnische Orchester beim Finale des prestigeträchtigen Internationalen Chopin-Klavierfestival dirigieren, welches den historischen Klavieren gewidmet ist. Es erklingen – wie sonst – beide Klavierkonzerte von Chopin. Einige Tage später hören eines von diesen Konzerten auch die Zuschauer im Rudolfinum und in der Lukaskirche, in unserer Einübung mit dem frischen Laureaten des Wettbewerbes als Solisten,“ präzisiert Luks mit Bemerkung, dass der Name des Solisten und auch das, welches Konzert von Chopin Collegium 1704 aufführen wird, das Orchester am 16. Oktober bekannt gibt.

Ein Novemberabend im Rudolfinum und in der Annenkirche führt die Zuhörer zu den Anfängen des Barocks zurück, mit der Musik von Claudio Monteverdi. Seine Marienvesper sind gleichzeitig ein Werk, welches die Richtung vorgegeben hat, wie sich das europäische Denken der künftigen Jahrhunderte entwickeln wird und heute deswegen Bewunderung und Verehrung weckt. In der Atmosphäre um die Adventszeit können dann die Zuschauer im Dvořák-Saal und in der Annenkirche mit Collegium 1704 und Collegium Vocale die Schätze des Hochbarocks auskosten, in der Uraufführung die Missa Corporis Domini von Jan Dismas Zelenka, und den vertonten Marienlobgesang, bekannt unter dem Namen Magnificat, eines von den beliebtesten Stücken von Johann Sebastian Bach überhaupt.

Händels Messias in einer legendären Aufführung durch das Collegium 1704 und das Collegium Vocale 1704 im April 2011

Mit einer außerordentlichen Popularität ist schon von Anbeginn das Werk eines weiteren barocken Großmeisters, einer sächsischen Größe, Georg Friedrich Händel, verbunden. Sein Oratorium Messias wird den Dvořák-Saal im Rudolfinum und die Annenkirche im März nächsten Jahres beherrschen. Die Soloparts übernehmen internationale Spitzenvokalisten: belgische Sopranistin Deborah Cachet, amerikanische Altistin Avery Amereau, der polnische Tenor Krystian Adam und der italienische Bass Luigi De Donato.

Der zuletzt genannte wird auch der Hauptprotagonist des letzten Premiere Programms der Saison mit dem Namen Il Polifemo sein. Luigi De Donato wird zusammen mit Collegium 1704 den Zuhörern unterschiedliche barocke Vertonungen der altgriechischen mythologischen Geschichten vorstellen, des einäugigen und dreifingrigen Kyklopen Polyphem.

Den visuellen Stil der Saison dominieren wieder die poetischen Illustrationen des Theatermachers und bildenden Künstlers Matěj Forman. Diesmal geht es um die Auswahl seiner ehemaligen Illustrationen für den Verlag Albatros, ursprünglich zu dem Buch von   František Hrubín mit dem Namen Od jara do jara (Von Frühling zu Frühling).

Auch Trauer birgt Hoffnung. Ein März-Konzert im Rudolfinum bot Verbundenheit mit Gott und innere Einkehr

Ein Programm namens Pianto napoletano (Neapolitanisches Wehklagen) stellte am 7. März im Rudolfinum vokal-instrumentale Werke der barocken neapolitanischen Meister Alessandro Scarlatti, Tommaso Traetta und Francesco Durante vor.

„Über die italienische und insbesondere die süditalienische Musik lässt sich generell sagen, dass sich in dieser auch bei tragischen Themen die Trauer auf etwas andere Weise äußert, als wir es aus Werken zum Beispiel aus dem 19. Jahrhundert kennen: Jene schwere, finstere Trauer kommt hier tatsächlich nur selten vor. Wie viele schöne, süße und rührende Melodien bietet etwa Pergolesis Stabat Mater! Das ist, denke ich, eine generelle Eigenschaft der italienischen Seele – auch eine traurige Botschaft ist von einer gewissen Hoffnung erfüllt. Schließlich bildet das Gebet ‚das ewige Licht leuchte ihnen‘ den Text des Ordinariums in der Einleitung von Durantes Requiem. Die Hoffnung auf dieses Licht vermochten insbesondere neapolitanische Komponisten sehr schön in ihre charakteristische musikalische Sprache umzusetzen,“ erläutert der Dirigent und künstlerische Leiter des Collegiums 1704, Václav Luks.

Als erster großer Komponist wird mit dem neapolitanischen Musikstil Alessandro Scarlatti (1660 – 1725) in Verbindung gebracht. Scarlattis Miserere c-Moll für fünf Stimmen, Streicher und Basso continuo ist ein feines Beispiel für die Verarbeitung des Textes von Psalmen in einem konzertanten Stil. Der Bußpsalm 51 wurde häufig vertont, er wurde nicht nur bei den sog. Trauermetten in der Karwoche gesungen, sondern auch bei einer Reihe anderer Anlässe, insbesondere in der Fastenzeit.

Zu den berühmtesten und einflussreichsten Kirchenwerken neapolitanischen Ursprungs gehört das Stabat Mater von Giovanni Battista Pergolesi. Auch Tommaso Traetta (1727 – 1779) nutzt bei seiner späteren Vertonung desselben Textes Solosopran und Alt. Zu diesen fügt er jedoch einen vierstimmigen Chor hinzu, dem er bedeutende Partien der gesamten Komposition anvertraut. Den umfangreichen Text eines berühmten Gedichts mittelalterlichen Ursprungs gliedert er in eigenständig bearbeitete geschlossene Nummern. Seine Meisterschaft besteht in der Reichhaltigkeit, mit der er die einzelnen Teile innerlich differenziert. Von Nicola Porpora und Francesco Durante, seinen neapolitanischen Lehrern, übernahm Traetta das Gespür für die natürliche Führung der Gesangsteile. Diese bewahren auch in einer anspruchsvollen Koloratur stets die gewünschte Singbarkeit.

Die zweite Hälfte des Abends mit der Bezeichnung Pianto napoletano bot Raum für eine andere Art expressiver Trauermusik, die Totenmesse. In der unendlichen Reihe der Autoren, die während des 18. Jahrhunderts zu diesem Genre beitrugen, nimmt auch Francesco Durante einen bedeutenden Platz ein. Im Dvořák-Saal des Rudolfinums erklang das Requiem a due cori, das umfangreichste. Und dies nicht nur wegen seiner Länge, sondern auch hinsichtlich des verlangten Aufführungskörpers. Dieser umfasst neben Streichern und Waldhörnern acht Gesangsstimmen in zwei Chören. Von der großen Popularität von Durantes Requiem zeugen an die vierzig erhalten gebliebene Abschriften dieser Komposition, die ihrerzeit nicht in gedruckter Form erschien.

Beethovens 7. Sinfonie, dargeboten vom Collegium 1704, brachte das Rudolfinum zum Beben

Auf dem Programm des von Václav Luks geleiteten sinfonischen Konzerts mit dem Titel Apotheose des Tanzes standen die Werke der drei großen Meister der so genannten Wiener Klassik, die auf eine authentische Weise, unter Einsatz von zeitgenössischen Instrumenten, dargeboten wurden. Diese Werke gelten als eine großartige Synthese der vorherigen musikalischen Entwicklung und zugleich als Vorbild und Inspiration für die kommenden Generationen. Im Dvořáksaal des Rudolfinums erhallten am 14. Februar die Beethovens 7. Sinfonie, danach eine der Londoner Sinfonien Joseph Haydns, sowie die Ouvertüre zur Oper La clemenza di Tito von Wolfgang Amadeus Mozart.

La clemenza di Tito war eigentlich die zweite Oper, die Mozart speziell für Prag schrieb. Es handelte sich dabei um ein für die Krönung Leopolds II. zum böhmischen König im Sommer 1791 von den böhmischen Ständen kurzfristig bestelltes Stück. Mozart wandte sich bei diesem Spätwerk zu dem Genre der italienischen Oper wieder zu. Während diese Oper bei den erhabenen Höflingen kaum positives Echo fand, war sie hingegen bei den Bürgern Prags besonders beliebt, wurde mehrmals aufgeführt und im Jahre 1807 nahm durch eben diese Aufführung des Tito die italienische Operngesellschaft für immer Abschied von Prag.

Joseph Haydn wird zwar üblicherweise als erstes Mitglied des Wiener Dreifachgestirnes genannt, überlebte jedoch seinen um vierundzwanzig Jahre jüngeren Kollegen um sechzehn Jahre und schuf seine Hauptwerke erst nach Mozarts Tod. Zu diesen Werken zählen auch die so genannten Londoner Sinfonien, für ein breites Publikum bestimmte Kompositionen, die er für eine häufig besuchte, von dem in England wirkenden Geiger Johann Peter Salomon veranstaltete Konzertreihe schrieb. Viele von diesen populär gewordenen Kompositionen wurden allerdings mit verschiedenen Beinamen versehen, unter denen sie bis heute bekannt sind. Die Sinfonie Nr. 98 B-Dur erhielt zwar keinen, ihr zweiter Satz wird nichtsdestoweniger als Haydns „Requiem für Mozart“ bezeichnet – sozusagen als Ehre, die der Komponist seinem verstorbenen Freund erweisen wollte. Haydn fing zwar mit den Arbeiten an dieser Sinfonie wahrscheinlich bereits im Sommer 1791 an, er beendigte sie aber erst nachdem er vom Tod Mozarts versichert worden war.

Wegen ihres zweiten Satzes wurde ebenfalls die 7. Sinfonie Ludwig van Beethovens berühmt; diese wird der Höhepunkt des musikalischen Abends im Rudolfinum sein, der den Titel Apotheose des Tanzes trägt. Allerdings genau dieses Wortgefüge wurde im Zusammenhang mit dem Werk Beethovens angeblich von Richard Wagner benutzt, der auf diese Art und Weise auf die Verwandtschaft der orchestralen Musik und des Tanzes hinweisen wollte.

„Beethovens originelle, borstige Handschrift hinterlässt bis heute einen gewaltigen, hinreißenden Eindruck. Wagners Aussage beschreibt  meines Erachtens treu den Charakter der gesamten Sinfonie, ein Tanzwirbel ist insbesondere für den ersten und vierten Satz charakteristisch. Darüber hinaus bin ich der Überzeugung, dass man ebenfalls in dem zweiten Satz eine Prise von „Tänzlichkeit“ finden kann, obwohl er meistens als ein Trauermarsch interpretiert wird. Allerdings wurde dessen Tempo von Beethoven als Allegretto bezeichnet, es würde also zu dieser Komposition durchaus  passen wenn sie von der düsteren Gravität, mit der sie so oft interpretiert wird, befreit  werden würde. Wir werden es auf jeden Fall anstreben.“ deutet Václav Luks, der Dirigent und künstlerische Leiter des Collegium 1704, sein Interpretationsvorhaben für die Durchführung des berühmten Werkes Beethovens im Rudolfinum an. „Beethoven hinterließ uns zwar metronomische Angaben, die oft ein sehr schnelles Tempo vorschreiben, aber wir wissen zugleich, dass sowohl Beethoven selbst, als auch sein Schüler Carl Czerny die Ansicht vertraten, dass eine metronomische Angabe lediglich das Anfangstempo bestimmt, einen Ausgangspunkt sozusagen, mit dem dann weiter gearbeitet werden muss. Sie waren bereit, mit diesem Tempo wesentlich mehr zu spielen, als wir es heute für üblich halten. Die Zuhörer können also in dieser Hinsicht, in Vergleich zu dem, was sie von den modernen Orchestern zu hören gewohnt sind, bedeutende Unterschiede wahrnehmen“, fügt Luks hinzu.

Die Apotheose des Tanzes  stellt eines der künstlerischen Projekte des Collegium 1704 dar, in denen sich das Ensemble bemüht, eine authentische Interpretation derjenigen musikalischen Werke zu bieten, die in anderen Epochen entstanden waren, als in der Barockzeit, welche die Weltberühmtheit des Orchesters begründete. Im Jahre 2021 studierte es zum Beispiel für das Kultur- und Musikfestival Prager Frühling den sinfonischen Zyklus Mein Vaterland von Bedřich Smetana erfolgreich ein, während es im vorigen Jahr in Zusammenwirken mit dem Pianisten Lukáš Vondráček auf dem Warschauer internationalen Festival Chopin i jego Europa das Konzert G-Moll für Klavier und Orchester von Antonín Dvořák aufführte. Im Januar dieses Jahres gastierte Václav Luks bereits zum dritten Mal auf dem Dirigentenpodest des berühmten Bostoner Orchesters Handel and Haydn Society, das ebenfalls zeitgenössische Musikinstrumente einsetzt. In diesem Fall ertönte gleich an zwei Abenden Beethovens Eroica.

Das Collegium 1704 ließ das Jahr 2022 mit einem Vivaldi-Programm ausklingen

Auf dem Konzert am 06.12.2022 im Dvořák-Saal des Rudolfinums erklangen unter der Leitung des Dirigenten Václav Luks Vivaldis Vertonung des Psalms Laudate Pueri sowie Konzertwerke, die einst für das damalige Dresdner Orchester verfasst worden sind. Bereichert wurde das Programm durch Kompositionen von Vivaldis Schüler und ehemaligem Konzertmeister am sächsischen Kurfürstenhof, Johann Georg Pisendel und dem Hofkomponisten der Dresdner Kapelle, Johann Friedrich Fasch.

Mit dem zweiten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts hatte Antonio Vivaldi die volle Bandbreite seiner bemerkenswerten Kreativität erreicht, die Werke von Sonaten und Konzerten bis hin zu Opern und Kirchenmusik hervorbrachte. In Dresden wurde nicht nur Orchester-, sondern auch die Kirchenmusik von Antonio Vivaldi bekannt und dargeboten. Laudate pueri RV 601 ist ein typisches Beispiel für Vivaldis späteres Werk zu Beginn der Dreißigerjahre des 18. Jahrhunderts. Die umfangreiche Vertonung des Psalms ist für eine Solostimme mit Orchesterbegleitung bestimmt, die eine Flöte und zwei Oboen beinhaltet, die die Violine verstärken. Die anspruchsvolle Solostimme, die an vielen Stellen ein dreigliedriges D erreicht, lässt vermuten, dass er einen bestimmten, heute unbekannten Sänger oder eine bestimmte, heute unbekannte Sängerin im Sinn hatte. Im Rudolfinum hat sich seiner die deutsche Sopranistin Mirella Hagen angenommen. Dem tschechischen Publikum ist sie unter anderem durch die diesjährige erfolgreiche Brünner Inszenierung von Händels Oper Alcina bekannt.

Sowohl zu Beginn als auch unmittelbar nach der Pause erklang im Rudolfinum eine ganz besondere Art von Konzert für ein großes Ensemble, das „concerto con molti stromenti“, das Vivaldi für das einstige Dresdner Orchester schrieb. Diese Stücke sind wie ein Solokonzert strukturiert, die Soli werden jedoch in Gruppen oder einzeln von einer Vielzahl von Instrumenten gespielt. In Vivaldis Konzert F-Dur kommen somit die Violine (Ivan Iliev, Helena Zemanová), zwei Oboen (Katharina Andres und Petra Ambrosi) und zwei Hörner (Jiří Tarantík und Miroslav Rovenský) zum Einsatz. Nach der Pause erklang das Konzert G-Moll, für das der Komponist anstatt von imposanten Hörnern zwei Flöten (Julie Braná und Lucie Dušková) vorgesehen hatte.

Händels Faszination für Rom und Zelenkas letzte Komposition der Messe sorgten im ausverkauften Rudolfinum für Begeisterung

Am Abend des Martinstages wurde im Rudolfinum eine Konfrontation zwischen der atemberaubenden Dynamik des Psalms Dixit Dominus, dem ersten Werk, das der junge Georg Friedrich Händel während seines Aufenthalts in Rom komponierte und Jan Dismas Zelenkas letzter Messvertonung Missa Omnium Sanctorum dargeboten, die das tausendköpfige Publikum in himmlische Höhen führte.

Die große weite Welt der Musik eröffnete sich Georg Friedrich Händel wahrscheinlich Ende 1705, aufgrund einer Einladung nach Florenz, die dem einflussreichen Adeligen und Kunstliebhaber Gian Gastone de‘ Medici zu verdanken war. Der bedeutendste Teil des Italienaufenthalts des Komponisten beginnt jedoch erst 1707, dem Jahr, als der ambitionierte Zweiundzwanzigjährige Rom erreicht. Dixit Dominus war das erste Werk, an dem er dort zu arbeiten begann. Die Datierung des Werks (April 1707) legt nahe, dass die Uraufführung während der Ostervesper in der Titelkirche eines von Händels Mäzenen, Kardinal Ottoboni, San Lorenzo in Damaso, stattgefunden hat. Für gewöhnlich wird als Ort der Uraufführung jedoch die Kirche Santa Maria in Monte Santo angegeben, in welcher Händel im Juli 1707 im Auftrag des Kardinals Colonna auch weiter Psalmen für die festliche Vesper (Laudate pueri und Nisi Dominus) vertonte und darbot. 

„Es scheint geradezu, als ob Händel in der Vertonung des Psalms Dixit Dominus sein Erstaunen über die römische Barockarchitektur zum Ausdruck gebracht hätte. Spektakuläre architektonische Bögen, ekstatisch emporsteigende gigantische Figuren, Wassermassen, die in Kaskaden von künstlich angelegten Wasserfällen in den Brunnen römischer Plätze rauschen, aber auch Orte, die durchdrungen werden von den Urzeiten der Geschichte der ewigen Stadt – all das begegnete dem jungen Händel in Rom und Dixit Dominus stellt eine Art musikalische Transformation der barocken Architektur Roms dar“, sagt der künstlerische Leiter und Dirigent des Collegium 1704, Václav Luks.

Zum Ende seines Lebens hin im Jahr 1740, begann Jan Dismas Zelenka an seinem letzten umfangreichen Projekt zu arbeiten, das er jedoch nie vollendete. Die Komposition Missa Dei Patris C-dur sollte die Erste von sechs sogenannten letzten Messen (Missae ultimae) sein. Als Zelenka in der Nacht vom 22. auf den 23. Dezember 1745 verstarb, blieb von diesem durchdachten Messe-Zyklus lediglich ein Torso, bestehend aus insgesamt drei Teilen einschließlich des letzten, sechsten, der im Jahr 1741 vollendet wurde und den Namen Missa Omnium Sanctorum erhielt.

„In der Missa Omnium Sanctorum fehlt die früher für Zelenka so typische große Orchesterbesetzung mit Trompeten, Hörnern und Pauken. Es handelt sich jedoch um ein Werk, in welchem der Text überaus gefühlvoll vertont ist, und außerdem ist es Teil des bemerkenswertesten Projekts der letzten Lebensjahre des Komponisten“, erklärt Luks.

Das Konzert am Martinstag im Rudolfinum war ausschließlich Solisten aus den Reihen des Collegium Vocale 1704 vorbehalten, und zwar den Sopranen Tereza Zimková, Pavla Radostová und Helena Hozová, den Altistinnen Kamila Mazalová und Aneta Petrasová, dem Tenor Ondřej Holub und den Bässen Tomáš Šelc und Tadeáš Hoza.

Sendereihe über Václav Luks auf France Musique

Václav Luks repräsentiert in diesem Programm bislang als einziger Künstler die Tschechische Republik.


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