Responsoria II
Jan Dismas Zelenka (1679 – 1745)
Responsoria pro hebdomada sancta ZWV 55
Ecce vidimus eum
Tristis est anima mea
O vos omnes
Unus ex discipulis meis
Caligaverunt oculi mei
Collegium 1704 & Collegium Vocale 1704
Václav Luks | Dirigent
Divadlo X10, Prag
Erstellt in Zusammenarbeit mit Theater X10.
Collegium 1704
Violoncello
Hana Fleková
Kontrabas
Luděk Braný
Orgel
Pablo Kornfeld
Theorba
Jan Krejča
Collegium Vocale 1704
Sopran
Helena Hozová, Tereza Zimková, Pavla Radostová
Alt
Aneta Petrasová, Kamila Mazalová, Daniela Čermáková
Tenor
Ondřej Holub, Čeněk Svoboda, Václav Čížek
Bass
Tadeáš Hoza, Lukáš Zeman, Martin Vacula
Jan Dismas Zelenka: Responsoria pro hebdomada sancta
Zelenkas Responsorien für die drei wichtigsten Tage der Heiligen Woche bilden eine ganzheitliche Sammlung, deren Texte aus den sog. Morgengebeten der Kirche übernommen wurden. Auf Latein heißt die umfangreiche Gebetssammlung „Divinum Officium“ (göttliches Offizium). Offizium bedeutet im Lateinischen „Pflicht“ oder „Verpflichtung“. Ab dem 4. Jahrhundert n. Chr. sind es vor allem Bischofssitze und Klöster, in denen Offizium und Messe ihre feste Form erhalten. Die Mönche und der Klerus hatten die Pflicht, diese zu einer bestimmten Tageszeit vorzutragen. Als Inspiration für dieses gemeinsame und offiziell kodifizierte Gebet diente der alttestamentliche Judaismus. Das umfangreiche Sammelsurium an Texten unterschiedlicher Formen und Genres wurde für lange Jahrhunderte bis in die heutige Zeit zu einem Buch, dessen Gebete sorgfältig für jeden Tag des liturgischen Jahres strukturiert waren. Sie unterteilen die Zeit, füllen sie aus, geben ihr Thema und Rhythmus, aus profaner Zeit machen sie heilige Zeit.
Welche Rolle spielten nun die Metten der Karwoche in der Kirchenmusikpraxis am sächsisch-polnischen Hof in Dresden? Hier gab es nach dem Konfessionswechsel Augusts des Starken im Jahre 1697 zunächst keine eigene Tradition solcher Gottesdienste, und sowohl die Einrichtung einer katholischen Hofkirche in einem umgebauten Opernhaus (1708) als auch der Aufbau einer entsprechenden Kirchenmusik vollzogen sich zunächst nur langsam und unter großen Mühen. In der Anfangszeit dürften die Metten kaum als anders als choraliter gesungen worden sein. Als nach der Hochzeit des sächsischen Kurprinzen mit der Erzherzogin Maria Josepha die Hofkapelle ab 1721 immer öfter zur Ausgestaltung der katholischen Hofgottesdienste herangezogen wurde, erhielt 1722 nicht der Hofkapellmeister Johann David Heinichen (1683-1729), sondern der Kontrabassist Jan Dismas Zelenka (1679-1745) den Auftrag, die Musik für die Metten der Karwoche zu komponieren. Letzterer war 1710 aus Prag an den sächsischen Hof gekommen und hatte von 1716 bis 1719 auf Kosten des Hofes einen Studienaufenthalt bei dem kaiserlichen Kapellmeister Johann Joseph Fux (1660-1741) in Wien absolviert. Nach der Rückkehr nahm er zunächst seine alte Position als Kontrabassist wieder ein und wurde immer öfter – neben dem Kapellmeister und dem „Compositeur de la musique italienne“ Giovanni Alberto Ristori (1692-1753) – mit der Leitung des Kirchendienstes betraut. Der Auftrag zur Komposition der Musik für die Metten der Karwoche dürfte direkt von der Kurprinzessin Maria Josepha ausgegangen sein, die als gebürtige Habsburgerin eine entsprechende Praxis am Wiener Hof kannte und von der wichtige Impulse für die in den 1720er Jahren beginnende Blüte der Dresdner Hofkirchenmusik ausgingen. So entstanden sechs Lamentationes Jeremiae Prophetae ZWV 53, während die 27 Responsoria pro hebdomada sancta ZWV 55 offenbar 1722 begonnen, aber nach Auskunft der autographen Partitur erst im folgenden Jahr fertiggestellt wurden.
Die Responsoria pro hebdomada sancta gilt als eine der wichtigsten Kompositionen Zelenkas und ist sogar zum Synonym für seine meisterhafte Beherrschung des Kontrapunkts geworden. Zelenka selbst hielt dieses Werk für sehr bedeutsam und das Interesse seiner Zeitgenossen daran war auch nach dem Tod des Komponisten ungebrochen. Text und Musik vereinen sich hier so meisterhaft, dass es im Bereich der Barockmusik nicht leicht ist, ähnliche Beispiele mit dieser daraus resultierenden Dringlichkeit und emotionalen Tiefe zu finden.
J. D. Zelenka: Responsoria pro hebdomada sancta
Ecce, vidimus eum
Ecce, vidimus eum
non habentem speciem, neque decorem:
aspectus eius in eo non est:
hic peccata nostra portavit,
et pro nobis dolet:
ipse autem vulneratus est
propter iniquitates nostras:
Cuius livore sanati sumus.
V: Vere languores nostros ipse tulit,
et dolores nostros ipse portavit.
Siehe, da wir ihn ansahn
Siehe, da wir ihn ansahn,
Fand sich keine Wohlgestalt und keine Schöne,
man barg das Antlitz vor all seiner Schmach,
wegen unsrer Sünde erschlagen,
litt er so viel Qualen,
wegen unsrer großen Missetat
ist er so schwer verwundet worden.
Durch seine Wunden sind wir geheilet.
V: Wahrlich, er selbst trug unser aller Krankheit
und lud willig auf sich unsere Schmerzen
durch seine Wunden sind wir geheilet.
Tristis est anima mea
Tristis est anima mea usque ad mortem:
sustinete hic, et vigilate mecum:
nunc videbitis turbam, quae circumdabit me:
Vos fugam capietis, et ego vadam
immolari pro vobis.
V: Ecce, appropinquat hora,
et Filius hominis tradetur in manus peccatorum.
Meine Seele ist betrübt
Meine Seele ist betrübt bis an den Tod.
Bleibet hier und wachet mit mir!
Bald seht ihr die Rotte, die mich umstellen wird.
Ihr werdet die Flucht ergreifen, ich aber gehe hin,
um für euch geopfert zu werden.
V: Seht, die Stunde naht, da der Menschensohn
in die Hände der Sünder überliefert wird.
O vos omnes
O vos omnes, qui transitis per viam,
attendite et videte
si est dolor sicut dolor meus.
V: Attendite, universi populi,
et videte dolorem meum.
Oh ihr alle
Oh ihr alle, die ihr des Weges zieht,
blickt her und schauet,
ob ein Schmerz sei ähnlich dem meinen.
V: Merkt auf, ihr Völker alle,
und schaut meinen Schmerz.
Unus ex discipulis meis
Unus ex discipulis meis
tradet me hodie:
Vae illi perquem tradar ego.
Melius illi erat, si natus non fuisset.
V: Qui intingit manum mecum in paropside,
hic me traditurus est
in manus peccatorum.
Einer von meinen Jüngern
Einer von meinen Jüngern
wird mich heute verraten.
Wehe dem Menschen,
durch den ich ausgeliefert werde!
Besser wäre es für ihn, er wäre nicht geboren.
V: Der die Hand mit mir in der Schüssel taucht,
wird mich in die Hände des Sünder ausliefern.
Caligaverunt oculi mei
Caligaverunt oculi mei a fletu meo:
quia elongatus est a me,
qui consolabatur me:
Videte, omnes populi.
Si est dolor similis sicut dolor meus.
V: O vos omnes, qui transitis per viam,
attendite et videte.
Dunkel sind meine Augen
Dunkel sind meine Augen von Weinen;
denn er, der mich getröstet hat,
ist fern von mir.
Schaut, ihr Völker alle,
ob ein Schmerz sei gleich dem meinen.
V: O ihr alle, die ihr des Weges zieht,
blickt her und schaut.