Am Abend des Martinstages wurde im Rudolfinum eine Konfrontation zwischen der atemberaubenden Dynamik des Psalms Dixit Dominus, dem ersten Werk, das der junge Georg Friedrich Händel während seines Aufenthalts in Rom komponierte und Jan Dismas Zelenkas letzter Messvertonung Missa Omnium Sanctorum dargeboten, die das tausendköpfige Publikum in himmlische Höhen führte.

Die große weite Welt der Musik eröffnete sich Georg Friedrich Händel wahrscheinlich Ende 1705, aufgrund einer Einladung nach Florenz, die dem einflussreichen Adeligen und Kunstliebhaber Gian Gastone de‘ Medici zu verdanken war. Der bedeutendste Teil des Italienaufenthalts des Komponisten beginnt jedoch erst 1707, dem Jahr, als der ambitionierte Zweiundzwanzigjährige Rom erreicht. Dixit Dominus war das erste Werk, an dem er dort zu arbeiten begann. Die Datierung des Werks (April 1707) legt nahe, dass die Uraufführung während der Ostervesper in der Titelkirche eines von Händels Mäzenen, Kardinal Ottoboni, San Lorenzo in Damaso, stattgefunden hat. Für gewöhnlich wird als Ort der Uraufführung jedoch die Kirche Santa Maria in Monte Santo angegeben, in welcher Händel im Juli 1707 im Auftrag des Kardinals Colonna auch weiter Psalmen für die festliche Vesper (Laudate pueri und Nisi Dominus) vertonte und darbot. 

„Es scheint geradezu, als ob Händel in der Vertonung des Psalms Dixit Dominus sein Erstaunen über die römische Barockarchitektur zum Ausdruck gebracht hätte. Spektakuläre architektonische Bögen, ekstatisch emporsteigende gigantische Figuren, Wassermassen, die in Kaskaden von künstlich angelegten Wasserfällen in den Brunnen römischer Plätze rauschen, aber auch Orte, die durchdrungen werden von den Urzeiten der Geschichte der ewigen Stadt – all das begegnete dem jungen Händel in Rom und Dixit Dominus stellt eine Art musikalische Transformation der barocken Architektur Roms dar“, sagt der künstlerische Leiter und Dirigent des Collegium 1704, Václav Luks.

Zum Ende seines Lebens hin im Jahr 1740, begann Jan Dismas Zelenka an seinem letzten umfangreichen Projekt zu arbeiten, das er jedoch nie vollendete. Die Komposition Missa Dei Patris C-dur sollte die Erste von sechs sogenannten letzten Messen (Missae ultimae) sein. Als Zelenka in der Nacht vom 22. auf den 23. Dezember 1745 verstarb, blieb von diesem durchdachten Messe-Zyklus lediglich ein Torso, bestehend aus insgesamt drei Teilen einschließlich des letzten, sechsten, der im Jahr 1741 vollendet wurde und den Namen Missa Omnium Sanctorum erhielt.

„In der Missa Omnium Sanctorum fehlt die früher für Zelenka so typische große Orchesterbesetzung mit Trompeten, Hörnern und Pauken. Es handelt sich jedoch um ein Werk, in welchem der Text überaus gefühlvoll vertont ist, und außerdem ist es Teil des bemerkenswertesten Projekts der letzten Lebensjahre des Komponisten“, erklärt Luks.

Das Konzert am Martinstag im Rudolfinum war ausschließlich Solisten aus den Reihen des Collegium Vocale 1704 vorbehalten, und zwar den Sopranen Tereza Zimková, Pavla Radostová und Helena Hozová, den Altistinnen Kamila Mazalová und Aneta Petrasová, dem Tenor Ondřej Holub und den Bässen Tomáš Šelc und Tadeáš Hoza.